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Devi, die Göttin als Mutter

Devi, der weibliche Aspekt des Göttlichen, wird von allen als Mutter verehret, und ist auf der ganzen Welt als Muttergöttin bekannt. Die Verehrung für die „Mutter“ ist allen angeboren, und es ist der erste Impuls eines Kindes. Es scheint, dass der Urmensch, während er über die Vorstellung eines unsichtbaren Göttlichen meditierte, das Gesicht der Frau sah , die ihn geboren hatte, die Beschützerin, die sorgende und liebevolle Mutter, und in ihr das absolute Göttliche entdeckte, die Manifestation des unsichtbaren Göttlichen.

Devi, die Göttin, verwandelte sich in die Mutter, und wird seither als Muttergöttin verehrt. In Indien stellt die Muttergöttin die Verkörperung der höchsten Gottheit dar, die in ungezählten Schreinen verehrt wird, und ihren unermesslichen Segen verschenkt. Seit Jahrhunderten wurden um sie Mythen gewebt, entwickelten sich die Traditionen der Verehrung, und die Verehrer der Göttin erlebten den Ozean ihrer unendlichen Gnade. Auch im Zorn bleibt sie immer die beschützende, sorgende, liebvolle Mütter, mit einem gütigen Gesicht und einer segnenden Hand.

Die Muttergöttin im Industal

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Devi-Figurinen aus dem Industal

Dieser Urimpuls, das Göttliche mit der Mutter zu verbinden, scheint eine der ältesten spirituellen Erfahrungen des Menschen zu sein. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, vielleicht um wirksame Riten der Verehrung zu entwickeln, nach welchen eine gläubige oder furchtsame Seele verlangte, wurde diese Vorstellung in der Materie ausgedrückt. Die Einwohner des Industals entwickelten diese Vorstellung einer Erhabenen Göttlichkeit, indem sie dieses Verständnis der Mutter auch auf die Mutter Erde übertrugen, die Sie mit Korn, Wasser, Luft und Feuer segnete, und ihnen Unterkunft gewährte.

Die Terrakottafiguren der Muttergöttin, welche an diversen Indus- Ausgrabungsstätten (heut größtenteils im heutigen Pakistan) entdeckt wurden, sind nicht nur die ältesten Darstellungen der göttlichen Kraft, sie deuten auch auf eine hochentwickelte Kultur der Göttinnenverehrung hin. Die erhaltenen Tonfiguren, welche die Ur-Göttin darstellen, stammen aus dem Zeitraum von 3000 v.Chr. bis 100 v.Chr. Diese Figurinen, welche aus Ton hergestellt wurden, und daher ihre Verwandtschaft mit der Erde schon durch das gewählte Material andeuten, repräsentieren die Muttergöttin als Mutter Erde. Ihre Ikonographie ist bedeutsam und – ihre großen Brüste sind mit Milch gefüllt, ihre Geschlechtsteile unbedeckt, ihre Haar sorgfältig geschmückt, und sie trägt zahlreiche Armreifen an ihren Handgelenken. Das ist das Sinnbild des Wesens, welches trägt, nährt, alle Schwierigkeiten auf sich nimmt und die durch Sie Geborenen unter ihren Schutz stellt. Gleichzeitig bedeutet die Gestaltung ihrer Form die Gestaltung von absoluter Schönheit.

Ihre Armreifen, die traditionellen Zeichen der verheirateten Inderin, deuten an, dass sie nicht nur Mutter ist, sondern auch Begleiterin. In ihrer materiellen Form verkörpert sie nicht nur die vollkommene Mutterschaft, sondern auch die vollkommene Weiblichkeit. Sie schafft das Leben und erhält es; und sie ist die Ursache allen Lebens, dessen Inspiration, dessen Ziel, der Sinn des Lebens. 

Die Muttergöttin in den Veden und anderen alten Schriften

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Dir Götter besänftigen die Göttin

In den Rigvedas werden zwei Vorstellungen des Göttlich-Weiblichen behandelt, eine mystische und eine traditionelle. Die traditionelle Vorstellung ist jene, die in der primitiven Volksgemeinschaft am Indus herrsche, welche das Göttlich-Weibliche als die Muttergöttin ansah. In den Rigvedas wird die weibliche Kraft Mahimata (R.V. 1.164.33) genannt, ein Begriff, der wortwörtlich Mutter Erde bedeutet. An manchen Stellen in der Vedischen Literatur wird auf sie als Viraj verwiesen, die universelle Mutter, als Aditi, die Mutter der Götter und als Ambhrini, die aus dem Ur-Ozean Geborene. Eine mystische Vorstellung wird in den Rigvedas dort verfolgt, wo das Urweibliche als Vak oder Vani angesehen wird, welche, als die schöpferische Sprache den Kosmos und alle Existenz manifestiert. Im vedischen Mystizismus gab es den Kosmos und alle Dinge bereits in einer Vorexistenz, unmanifestiert. Vak, oder Vani macht die Dinge manifest.

Das Urweibliche wurde auch als Ushas angesehen, das Morgenlicht. Was in der Dunkelheit der Nacht noch nicht manifestiert ist, macht die Usha manifest. In der Metaphysik, die in der Vedischen Literatur ausgedrückt wird, existieren alle Dinge, aber manifestieren sich in Ihr, im Ur-Weiblichen. In den Upanischaden werden diese Vedischen Lehren mit größerer Klarheit ausgeführt. Das vedische Urweibliche wird als Praktiti identifiziert, die manifeste Natur, welche der materielle Aspekt der Schöpfung ist. Die Upanischaden deuten an, dass sie die allesdurchdringende kosmische Energie ist, die der ganzen Existenz innewohnt.

Die Veden und die Upanischaden weben um die Devi einen Schleier der Mystik, aber in der volkstümlichen Tradition, wie in der Harivansha, eine Abhandlung aus dem 4.-5.Jh. wo sie als die Göttin des Dschungels und der Bergvölker verehrt wird. Zugleich war sie aber die einfache reine Muttergöttin. Ihre Verbindung mit den Urvölkern war emotional und relativ stark. Aber es entwickelte sich gleichzeitig zum Kult ihrer Verehrung und offensichtlich inspiriert durch die Mystik der Upanischaden eine Metaphysik, die das Göttlich-Weibliche als Shakti, die gerichtete kosmische Kraft und die transzendente Quelle und die Stütze aller Lebewesen und der Schöpfung sah.

In der Mahabarata, in Übereinstimmung mit dem vedischen Mystizismus, wird auf sie als die Quelle aller Dinge verwiesen, der spirituellen wie auch der materiellen. In dem Epos wird deutlich gesagt, dass alle Dinge, ob materiell oder abstrakt, manifest oder unmanifest, alles allein die Manifestationen des Göttlich-Weiblichen sind. Laut Mahabarata, ist dieses metaphysische Wesen, die Muttergöttin des Urmenschen, die Basis, die Wurzel und Ursache von allem. Sie ist die, welche ewig das Dharma und die Wahrheit hochhält, sie ist die Beförderin des Glücks, die Spenderin von Erlösung und Wohlstand, aber auch von Sorge, Leid und Schmerz. Sie entfernt Hindernisse und Sorgen, und schützt den Weg ihrer Verehrer.

Die Devi in den Puranas

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Durga Pooja- Die Verehrung von Durga

Nach der Zeit der Entstehung der Mahabaratas, ungefähr im 4.-5.Jh kommt die Devi nur in der Literatur und Kunst der Eliten vor. Die Verehrung der Devi war ein weit verbreitetes Phänomen, aber bis sie zu einer puranischen Gottheit erhoben wurde, war ihre Verehrung hauptsächlich auf die primitive Welt der Stammesvölker beschränkt. Diese Stämme, wie die Santhal, Bhumia and andere Völker aus dem Bihar, aus Orissa und Bastar pflegen noch immer eine lebendige Tradition, bei der sie anlässlich der Hochzeit ihrer Söhne und Töchter ihre lange Ahnenreihe deklamieren. Beide Seiten beginnen bei den Ursprüngen, der üblicherweise bei einem der Naturgötter liegen, und sie vertrauen sich Shiva, dem Yogi der Berge und ihrem Beschützer an, und der Mahimata, der Mutter Erde, als ihre Dharini, die Erhalterin. Interessanterweise beschreiben sie eine fünftausend Jahre lange Fortsetzung der Verehrung von Shiva, als den Mahayogi, der das Göttlich-Männliche und die Mutter Erde oder Muttergöttin, welche das Göttlich-Weibliche verkörpert.

Die Devi wurde um das 5.Jh. in den brahmanischen Götterhimmel aufgenommen und wurde dadurch auch zum Subjekt der Verehrung der Eliten. Plötzlich durchdringt Sie die gesamte puranische Literatur, und jeder Text erläutert einen neuen Ihrer Aspekte. Sie nimmt hier sowohl einen Platz im Verstand ein, als auch am Altar. Sie wird nicht nur als die erhabene Kraft, welche über den Kosmos und alle Götter regiert, angebetet, sondern noch vehementer als inkarnierte kosmische Energie: "Ya Devi sarvabhuteshu shaktirupen sansthita, Namastasye namastasye namastasye namo namah", das bedeutet: „Oh du Göttin, Energieform des ganzen Kosmos, wird verbeugen uns vor Dir, wieder und wieder grüßen wir Dich“ (Markandeya Purana).


Von allen Texten bezieht sich das Markandeya Purana am ausführlichsten auf das Konzept der Devi und die mit Ihr verbundenen Riten, und gilt als das authentischte Dokument über den Kult um die Devi. Eines ihrer Bücher, das Devi Mahatmaya, umschreibt und preist die Devi. Im Markandeya Purana selbst wird sie vor allem als Durga identifiziert. Oberflächlich gesehen, scheint sich das Markandeya Purana von der früheren Vorstellung von der Devi als der Muttergöttin, oder Mutter Erde zu entfernen, aber in Wahrheit wurde hier nur die Tradition des Industales fortgesetzt. Es ist höchstens eine Abkehr von der ikonischen Manifestation der passiven Muttergöttin des Indus und Hinwendung zu der Agentin, der personifizierten Darstellung der Göttlichen Mutter und ihrer Fülle an Ursprungsmythen und mythischen Heldentaten, aber sie ist noch immer dieselbe Mutter Erde und Göttliche Mutter.

Im Markandeya Purana wird vom Heiligen Markandeya und dem König Suratha und dem Händler Samadhi erzählt. Beide hatten jeweils ihr Königreich bzw. Reichtum verloren und befragen ihn, wie sie ihren früheren Status wieder erlangen können. Der Heilige Markandeya erläutert in der Devi Mahatmya die Bedeutung der Göttlichen Mutter und ihrer einzigartigen Kräfte und bittet seine beiden Zuhörer dann, ein Bild der Muttergöttin aus Erde zu schaffen und zu verehren. Offensichtlich manifestierte Sie sich auch in der Zeit der Puranas durch die Erde.

Die Devi in metaphysischer Vorstellung


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Purusha und Prakriti

In der Literatur der Puranas wurden die verschiedenen religiösen Konventionen, die rituellen Praktiken und die Ikonographie der Muttergöttin vielfältig dargestellt und benannt. Es herrscht aber eine wundersame Einigkeit in ihrer metaphysischen und kosmischen Darstellung. In Mythen, Legenden, Ritualen, Reden, in der klassischen wie der Volkstradition, aus der Sicht des Gläubigen, des Malers, Bildhauers oder Poeten ist sie die Adi Shakti, die Urenergie, die alle Energien, Kräfte, Stärken, Mächte, Vitalität, Effizienz, Dynamik und Handlungsfähigkeit beinhaltet. Sie ist die dynamische Kraft der Kosmos, und zugleich ist sie Dhatir, die Stütze aller Dinge, ob statisch oder beweglich, und daher ist sie zugleich stabil und konstant. Sie ist manifestierte Natur, und daher materiell präsent, aber sie ist auch absolutes Bewusstsein, der denkende Verstand, der universelle Intellekt und kontrolliert die Sinne. Sie ist Schlaf, Durst und Hunger, aber auch Licht, Glanz, Schatten und Dunkelheit. Bescheidenheit, Zufriedenheit, Barmherzigkeit, Gnade, Schönheit, Scharm, Glaube, Geduld, Frieden, Aktivität, Bewegung wie als Rache, ja sogar Gewalt sind Ihre Aspekte. Und über allem ist die Universelle Mutter.

Die Vorstellung der Devi ist also eine Mischung aus Metaphysik und Mythologie. In der metaphysischen Vorstellung wurde die Schöpfung aus zwei Faktoren geschaffen, Prakriti und Purusha, Materie und Selbst, Männlich und Weiblich usw. In der Mythologie werden sie als Shiva und Shakti bezeichnet.


Prakriti oder Materie, welche in der metaphysischen Formel das Weibliche repräsentiert, ist der manifeste Aspekt der Schöpfung, während Purusha oder das Selbst unmanifestiert bleibt. In der metaphysischen Vorstellung wird diese Formel einer Wandlung unterzogen. Shiva ist hier Shava, das unbelebte Wesen und Shakti, die inkarnierte Energie, die Kraft die ihn lebendig macht und Antriebskraft gibt. Ohne Shakti ist Shiva tote Masse. Symbolisch ist Shakti die immanente Energie aller Dinge, manifest und unmanifestiert. Diese Shakti als metaphysisches Konzept wird in der mythologischen Kontemplation als Devi, und in der primitivsten Version als das Göttlich-Weibliche angesehen.


Andere Dimensionen der Devi-Mythologie

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Durga

Die primitive Vorstellung des Göttlich-Weiblichen scheint diese einer Segenspenderin zu sein, eine Gottheit, die als Ikone verehrt wurde aber nicht vermenschlicht dargestellt wurde. Die Devi der Puranas, oder Muttergöttin, ist eine vermenschlichte Gestalt um die sich eine Vielzahl von Mythen drehen. Die Puranas statteten sie mit handelnden Attributen aus, sie gaben Ihr nicht nur verschiedene Rollen mit unzähligen Persönlichkeitsaspekten und Manifestationen. Ursprungsmythen wuchsen um sie, Mythen um Ihre manifesten und nichtmanifesten Formen, Fabeln über Ihre Heldentaten und Berichte, die ihre Barmherzigkeit bezeugen.

Über die Devi erzählen viele Mythen, von denen zwei am häufigsten zitiert werden und in der Devi-Verehrung die größere Bedeutung haben. Einer dieser Berichte betont Ihre großen Taten gegen das Böse und für die Wiederherstellung der Rechtschaffenheit, im anderen wird Sie als die Göttin beschrieben, die den Göttern, vor allem der Trinität Brahma, Vishnu und Shiva vorangeht. In einer Darstellung wurde sie aus den himmlischen Kräften aller Götter geschaffen, wobei sich sich in Ihr alle deren Attribute manifestieren.

Die Überlieferung berichtet, dass einmal ein Büffeldämon namens Mahishasura die Erde regierte. Der tyrannische Dämon brachte großes Unglück und Elend über alle Kreaturen und er drang sogar in den Himmel ein, dem Sitz von Indra und anderer Götter und vertrieb sie von dem heiligen Ort. Dank eines Geschenkes von Brahma konnte Mahishasura weder durch einen Mann, oder ein männliches Tier besiegt werden. Nachdem Brahma dies enthüllt hatte, beschlossen die Götter, eine weibliche Kriegerin zu finden, die den Büffeldämon besiegen könnte. Als sie niemanden fanden, der diese Aufgabe erfüllen konnte, entschieden sie sich dazu, diese aus sich und ihren eigenen Kräften zu diesem Zweck zu schaffen. Sie beschlossen eine Kriegerin zu schaffen, die von einzigartiger Kraft, Schönheit und Anmut ist, damit sie den Dämon auch verzaubern und betören könne.

Ihr Kopf wurde aus den Kräften Shiva, ihr Haar aus denen Yamas, ihre Arme, Brüste, Taille, Füße, Zehennägel, Fingernägel, Nase, Zähne, Augen, Brauen und Ohren aus denen von Vishnu, Indra, Brahma, Vasu, Kuber, Prajapati, sowie aus dem Mond, der Sonne, der Dämmerung, dem Feuer und dem Wind. Ihre glitzernden Juwelen waren ein Geschenk des Ozeans und ihre mit himmlischen Edelsteinen verzierte Halskette ein Geschenk der großen Schlange Shesha.

Die Göttin erstand mit drei Augen und achtzehn Händen, in denen sie die himmlischen Waffen trug, die Instrumente des Krieges und der Zerstörung. Shivas Dreizack, Vishnus Diskus, Varunas Muschelhorn, Vayus Bogen, Agnis Pfeile, Yamas Eisenstange, Suryas Köcher, Indras Donner, Kubers Streitkolben, Brahmas Rosenkranz und Wasserkrug, Kalas Schwert und Schild, Vishwakarmas Kampfaxt und viele andere. Himvana gab ihr einen Löwen als Reittier. Die Götter waren begeistert und verbeugten sich in Dankbarkeit vor der Mahadevi. Mahamuni Narada erzählte Ihr dann von der Notlage in der die Götter sich befanden, worauf Sie Mahishasura in kürzester Zeit getötet hatte.


Genauso bedeutsam ist ein anderer Text namens Devi Bhagawat, nach dem Vishnu nach der Großen Flut als Kind auf einem Feigenblatt entstand. Bestürzt fragte er sich, wer er sei, wer ihn erschaffen hatte und warum er dort war. Plötzlich erhob sich eine himmlische Stimme, die sprach: Alles das ist, bin ich. Ich alleine bin ewig. Verwirrt sah er herum und erblickte eine weibliche Gestalt mit vier Händen, in denen sie ein Muschelhorn, einen Diskus, eine Keule und einen Lotus hielt. Sie trug himmlische Kleidung und Juwelen und wurde von zweiundzwanzig Kräften begleitet, von denen die wichtigeren Rati, die Göttin der Liebe, Bhuti, die Göttin des Reichtums und Wohlstandes, Buddhi die Göttin der Weisheit, Kirti, die Göttin der Glaubwürdigkeit, Smriti, die Erinnerung, Nidra, der Schlaf, Daya die Barmherzigkeit, Gati die Bewegung und Geschwindigkeit, Tusti, die Zufriedenheit, Pusti, Wachstum und Zustimmung, Kshama, die Duldsamkeit, Laja, die Gnade und Tandra, die Lethargie.

Vishnu erkannte, dass Sie die Adi Shakti Mahadevi war, und verbeugte sich vor ihr in Verehrung.


Die Symbolik der Devi

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Die Göttin Laksmi


In der mythologischen Tradition wurde der Ursprung der Devi mit Mahishasura in Verbindung gesetzt. Mahishasura ist nicht das wilde Tier im Mensch, sondern das menschliche Gesicht, verbunden mit einem Tier, dem Büffel, der Gefühllosigkeit und Selbstbezogenheit, ja das Böse an sich verkörpert. Diese Verbindung deutet völliges menschliches Versagen an, welche von keinem der Götter, der diese oder jene Tugend repräsentiert, wieder gut gemacht werden konnte. Nur die Devi, in erhabener Tugend und ausgestattet mit allen Kriegswaffen, die Göttliche Totalität konnte diese Angelegenheit ins Reine bringen.

Die anderen Mythen suggerieren, dass sie der Göttlichen Trinität vorangeht. Sie zerstörte nicht nur das Böse, und ebnete den Weg für die Tugend und das Gute, aber sie enthüllte auch die kosmischen Mysterien. Ihre vielen Arme symbolisieren ihre vielfältige Rolle als Beschützerin. Mahishasura, das Männliche, enthält die Energie, welche zum Bösen führt; zur selbstsüchtigen Macht, die Ego hervorbringt; die Gier danach, immer mehr zu besitzen; den Ehrgeiz zu erobern und herrschen. Wenn diese Energie jedoch in einer weiblichen Form auftritt, wird Sie zu einer Kraft, die das Böse zerstört und Gutes und Tugendhaftigkeit hervorbringt, obwohl sie Waffen trägt und auch vor dem Töten nicht zurückschreckt. Sie hat viele Arme, aber nur einen Kopf, das bedeutet, auch wenn sie viele ausführende Organe hat, wird sie von einer Entschlossenheit geleitet, die zielgerichtet und einzig ist. 


Die manifesten Formen des Göttlich-Weiblichen

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Die Göttin Saraswati

Diese Form der Devi, ungeachtet ihrer Herkunftsmythen und Legenden, zeigt sich in vielfältigen Manifestationen, im Wesentlichen drei an der Zahl. Im Markandeya Purana und fast allen anderen Puranas wird die Devi, die universelle Mutter, vor allem in ihrer Rolle als Kriegerin und Zerstörerin, Schöpferin und Erhalterin angesehen, die drei Aspekte des kosmischen Schöpfungsaktes, welche auf die Trinität übertragen wurde.

Als Kriegerin ist Sie Mahakali, die Zerstörerin, die das Böse, das Unrecht und die, die Übles vollbringen, ausrottet, und das Gute und die Rechtschaffenheit wieder herstellt. Als Erhalterin ist Sie Mahalakshmi, die Glückseligkeit, Wohlstand, Reichtum, und materielles Glück verkörpert, die eine reiche Ernte einfährt. Und letztlich verkörpert sie als Mahasaraswati erhabene Weisheit und alleswissenden Verstand, sie nährt die musischen Fähigkeiten, die Künste, Musik, Tanz und Kreativität. In ihrer anthropomosorphischen Gestalt ist Mahakali Shaktirupa, die inkarnierte Energie, die in Ihren vielen Armen (die Anzahl variiert von vier zu achtzehn und mehr) Instrumente der Zerstörung trägt. Auf der einen Seite zerstört Sie das Böse, auf der anderen beschützt sie die Guten. Die vierarmige Mahalaksmi trägt den Lotus, der aus der Erde wächst, das Wasser durchdringt, und an der Luft erblüht. Dieser Lotus durchdringt die drei Welten mit ihren Duft und Glanz. Die vierarmige Mahasaraswati ist die in Weiß gekleidete Göttin, die einen Lotus und danach einen Schwan reitet, wobei beide Reinheit, Keuschheit, und losgelöstes Wissen verkörpern.

Mit den Puranas beginnt die Personifizierung Ihrer vielfältigen Aspekte, und hier nehmen ihre ikonischen und anthropomorphischen Formen ihren Ausgang. Die Kriegerin und Dämonentöterin Mahakali wird auch mit Durga gleichgesetzt, die, um ihre Taten zu vollbringen, auch noch weitere Ihr zugeordnete Kräfte wie die Mahavidyas und Matrikas hervorbringt. Anders als die schwarzhäutige Mahakali, die wild und grimmig ausschaut, hat Durga, obwohl sie dieselbe Dämonentöterin ist, einen goldenen Teint, ein freundliches und gütiges Gesicht und verrät weibliche Sanftheit in Ihren Zügen.

Die Puranas lehnten die Askese ab und entdeckten innerhalb des Familienlebens die Mittel für Erlösung. Daher wurden die Götter nicht als Einsiedler und Bettler verstanden, sondern als Göttliche Ehepaare und Eltern. Sie stellten das abstrakte Höchste Wesen der Veden als die Trinität, Brahma, Vishnu und Shiva vor und verbanden mit jedem der drei Götter eine der Manifestationen der Göttin, Durga oder Mahakali mit Shiva, Mahalakshmi mit Vishnu und Mahasaraswati mit Brahma.

Shiva ist das Beispiel des Liebhabers und Durga seine Begleiterin manifestiert sich als demütige, häusliche Parvati. Parvati, die hellhäutige Tochter des Himalaya, ist auch Shivas liebvolle Gauri.

Als Vishnu, exiliert aus den himmlischen Gefielden, sich in den Hügeln des Südens niederlässt, nennt er sich Venkatesh. Seine Begleiterin Lakshmi, oder Mahalakshmi wird zur Padmavati. Als Vishnu als Rama inkarniert, wird seine Begleiterin Lakshmi zu Sita, und als er als Krishna inkarniert, inkarniert Lakshmi als Radha.

Brahmas Begleiterin Mahasaraswati ist auch als Sharada bekannt und die meisten ihrer alten Schreine sind ihr im Namen Sharada gewidmet. Die antiken Skulpturen von Sharada zeigen die typischen Formen von Durga.


Matrikas und Mahavidyas

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Die Puranas Skandapurana, Devipurana, Brahmavaivartapurana, Devibhagawata, Prapanchasaratantra, Lingapurana usw., schufen andere Formen der Shakti um sie mit den wichtigen männlichen Göttern zu verbinden. Die am weitesten verbreitete Anzahl dieser Manifestationen der Shakti ist sieben, in manchen Puranans kommen auch acht oder mehr vor. Besser bekannt sind sie als die Saptamatrikas, die Sieben Mütter. Im Matrika-Kult, ist Brahmas Begleiterin als Brahmani bekannt, Shivas als Maheshvari, Raudri oder Rudrani und Vishnus als Vaishnavi. In seiner Inkarnation als Varah, ist Vishnus Begleiterin Varahi, und für Narsimha ist sie Narsimhi. Die Begleiterin von Shivas Sohn Karttikeya ist Kaumari, oder Karttikeyani, die von Indra Indrani oder Mahendri und die von Yama Chamunda oder Chamundi.

In Verbindung mit den Saptamatrikas sind zwei Mythen überliefert. Ein Dämon namens Andhaka hatte die Gabe, dass jeder Tropfen Blut, der auf die Erde fiel, zu einem weiteren Andhaka wurde. Der Dämon konnte sich daher am Schlachtfeld selbst multiplizieren, und machte es damit seinen Gegnern unmöglich, sie zu besiegen. Einmal versuchte er Shivas Begleiterin Parvati zu entführen. Shiva schoss einen Pfeil auf ihn. Das Blut quoll hervor, und schuf noch viel mehr Andhakas. Endlich schickten die Götter ihre Shaktis um Shiva beizustehen. Diese Shaktis leckten jeden Tropfen Blut auf, bevor er zur Erde fiel. Eine andere Variante des Mythos ist der ersten sehr ähnlich, außer dass der Dämon hier Raktabija heisst, und dass statt Shiva, ihn Durga zum Kampf stellte. Durga schuf die Saptamatrikas aus Ihrer eigenen Kraft, um ihr dabei zu helfen, den Dämonen zu vernichten.

Andere bedeutende Manifestationen der Göttin wurden in den traditionellen Riten der Zehn Mahavidyas geschaffen. Obwohl ein später Kult, haben einige der Mahavidyas, so zum Beispiel Kali, viel ältere Ursprünge. Die Anzahl der Manvidyas korrespondiert mit der Anzahl der Inkarnationen Vishnus und wird daher als die Shakta oder Shaivit-Version des Vaishnava Kult verstanden.

In der Devi-Theologie wurde die Devi so wie Vishnu, als der Schöpfer und Erhalter der kosmischen Schöpfung verehrt. Manchmal werden Vishnus Inkarnationen so verstanden, dass diese aus den Mahavidyas entstanden sind, so dass zum Beispiel Kali zu Krishna, Chinnamasta zu Narsimha wird, usw. Diese Mahavidyas sind Kali, Tara, Chinnamasta, Bhuvaneshwari, Bagala, Dhumavati, Kamala, Matangi, Sodasi and Bhairavi, als die tantrischen Verkörperungen des Göttlich-Weiblichen.

Devi in volkstümlicher Tradition


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Sikh König Maharaja Ranjit Singh verehrt die Devi

Die Tradition der Verehrung der Muttergöttin, unter vielen Namen reicht sehr lange zurück. Es ist überliefert, dass Rama die Devi anrief, da er fühlte, dass er ohne ihren Segen den Dämonenkönig Ravana nicht zerstören konnte. Auch der zehnte Guru der Sikhs, Guru Gobind Singh und der große Krieger Shivaji aus Maharastra riefen die Göttin an, um ihnen bei ihren Vorhaben zu helfen.

Während Indiens Kampf um Unabhängigkeit wandten sich viele ihrer Söhne an die Göttin und sahen ihr Land als Bharat-Mata. Indem sie das Lied Vande Mataram sangen: „Gruß sei Dir, Mutter!“ gaben sie ihr Leben für die Freiheit hin. Die Devi ist nun die in Indien am weitesten verehrte Gottheit und Ihr sind eine größere Anzahl an Festen und Feiern gewidmet als allen anderen Gottheiten.

With many thanks to Prof. P.C. Jain
, Conception and Evolution of The Mother Goddess in India,
auf
Exoticindiaart.com
Übersetzung sj

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